Ratten Kitzeln
Tierfreundliches Handling ist eine wichtige Maßnahme um für Refinement im Tierversuch zu sorgen. Einerseits wird dadurch die Mensch-Tier-Beziehung gestärkt. Der Umgang wird somit für beide entspannter, weniger Stress und Angst werden empfunden und das Verletzungsrisiko wird außerdem deutlich reduziert. Tiergerechte Handling Methoden haben einen positiven Einfluss auf die Qualität der Forschung, weil dadurch negative Einflüsse, wie Stress reduziert werden können, wodurch die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse optimiert werden kann.1
Eine Gruppe von Neurowissenschaftler, darunter Dr. Jaak Panksepp und Dr. Jeffrey Burgdorf, untersuchte das Verhalten von Ratten. Sie stellten fest, dass junge Ratten beim Spielen mit Artgenossen Töne im Ultraschallbereich (~50 kHz) erzeugen, um ihre Freude auszudrücken. Ein typisches Rattenspiel sieht so aus: Eine Ratte springt auf den Hals ihres Spielkameraden, was diesen dazu bringt, sich auf den Rücken zu drehen und sich an der anderen festzuhalten. Ausgehend von diesem Spielverhalten entwickelten die Forscher eine neue Handhabungstechnik, bei der das Rattenspiel von menschlichen Händen nachgeahmt wird, um ähnliche Emotionen bei den Tieren auszulösen. Diese Methode wurde als Rattenkitzeln - „rat tickling" bezeichnet. Andere gebräuchliche Bezeichnungen sind „playful handling“, „heterospecific play“, aber auch „rough-and-tumble-play“.2
Manch einer wird sich zu Recht fragen, ob jede Ratte das Kitzeln als positiv empfindet oder ob es auch Tiere gibt, die davon überhaupt nicht begeistert sind. Allein unter Menschen gibt es große Empfindungsunterschiede und nicht jeder ist gleich kitzelig. So gibt es beispielsweise Ratten, die sich nicht gerne auf den Rücken drehen lassen, oder andere, die es überhaupt nicht mögen, gekitzelt zu werden. Es ist also wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse der Tiere einzugehen. Nach den Forschungsergebnissen von Hinchchliffe et. al. ist es möglich, anhand der aufgezeichneten Ultraschalltöne den Grad der positiven Emotionen zu bestimmen. Anhand dieser Aufzeichnungen kann also für jede Ratte festgestellt werden, ob es sich um eine geeignete Handhabungsmethode handelt, die von den Tieren als positiv empfunden wird.3
Neben der Befürchtung, dass die Tiere das Kitzeln ablehnen könnten, wird in Forscherkreisen angenommen, dass die Umsetzung dieser Technik in der Tierhaltung sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Die Forschung zeigt jedoch, dass Trainingseinheiten von 15 Sekunden pro Tier über 3 Tage ausreichen, um die Tiere daran zu gewöhnen und positive Emotionen auszulösen.4
Zusammenfassend kann bestätigt werden, dass Tiere, Forscher*innen und die Wissenschaft als solche von dieser Handhabungsmethode profitieren. Doch wie erwirbt man das nötige Know-how und die Fähigkeiten, um das Kitzeln von Ratten in der Einrichtung einzuführen? Einerseits gibt es viele Publikationen, die sich mit dem Thema beschäftigen und Protokolle zur Verfügung stellen. Außerdem gibt es Videos, die die praktische Umsetzung demonstrieren. Es gibt sogar Kurse (online und in der Praxis), um diese Technik zu erlernen. Die Ergebnisse einer Studie zeigen jedoch, dass es sinnvoll ist, auch einen „Hands-on“-Kurs zu besuchen, um mehr Sicherheit in der Anwendung der Technik zu gewinnen.4
MehrInformationen zum "rat tickling" finden Sie hier:
- Informationen und Protokolle des NC3RS
- Video zu Sylvie Cloutier et al.; “Tickling, a Technique for Inducing Positive Affect When Handling Rats”
- Protocol: Cloutier S et al. (2018). Tickling, a technique for inducing positive affect when handling rats. Journal of Visualized Experiments: JoVE 135: e57190. doi:10.3791/57190
- Hintergrundinformation und FAQ
Quellen:
1) Morgan, K.N.; Tromborg, C.T. Sources of stress in captivity. Appl. Anim. Behav. Sci. 2007, 102, 262–302 Bailey, D.J. Does the Stress Inherent to Laboratory Life and Experimentation on Animals Adversely Affect Research Data? Altern. Lab. Anim. 2017
2) LaFollette MR, O'Haire ME, Cloutier S, Blankenberger WB, Gaskill BN. Rat tickling: A systematic review of applications, outcomes, and moderators. PLoS One. 2017 Apr 6;12(4):e0175320. doi: 10.1371/journal.pone.0175320 . PMID: 28384364 ;
PMCID: PMC5383284 LaFollette MR, O'Haire ME, Cloutier S, Gaskill BN. Practical rat tickling: determining an efficient and effective dosage of heterospecific play. Appl Anim Behav Sci. (2018) 208:82-91. doi: 10.1016/j.applanim.2018.08.005 Cloutier S, Wahl KL, Panksepp J, Newberry RC. Playful handling of laboratory rats is more beneficial when applied before than after routine injections. Appl Anim Behav Sci. (2015) 164:81–90. doi: 10.1016/j.applanim.2014.12.012
3) Bombail V et al. (2021). Crying with laughter: adapting the tickling protocol to address individual differences among rats in their response to playful handling. Frontiers in Veterinary Science 8: 677872. doi:10.3389/fvets.2021.677872 Hinchcliffe JK, Mendl M, Robinson ESJ. Rat 50 kHz calls reflect graded tickling-induced positive emotion. Curr Biol. (2020) 30:R1034–5. doi: 10.1016/j.cub.2020.08.038
4) LaFollette MR et al. (2020). Changing human behavior to improve animal welfare: a longitudinal investigation of training laboratory animal personnel about heterospecific play or “rat tickling”. Animals 10(8): 1435. doi:10.3390/ani10081435
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